Kunsthaus Oggersheim, Schillerplatz 2, 67071 Ludwigshafen www.kunsthaus-oggersheim.de DAS KLEINE format Harald-Alexander Klimek & Victor Popov Ausstellungseröffnung: Freitag 23. November 2012 Einführung Stefanie Patruno, M.A., Kunsthalle Mannheim Der Kunstsammler, Regisseur und Kulturminister Frankreichs, André Malraux (1901-1976), träumte einst unter dem Begriff „musée imaginaire“ von einer durch die Reproduzierbarkeit der Kunst erträumbaren globalen Verfügbarkeit der Kunstgeschichte. Das Internet erlaubt plötzlich einen globalen virtuellen Rundgang durch die Galerien und Museen der Welt und gewährt einen Einblick in die Werke abertausender Künstler. Heute Abend wird mit den Werken von Harald-Alexander Klimek und Victor Popov „im kleinen Format“ eine Art „musée imaginaire“ eingeweiht. Wie Sie bereits gehört haben, stellen im kulturellen Rahmen der deutsch-russischen Beziehungen zwei vertraute Gesichter der Galerie gemeinsam knapp 50 Arbeiten aus den vergangenen 10 Jahre aus: Klimek zeigt eine Auswahl an Gemälden und Grafiken, während Popov neben seinen Leinwänden und Papierarbeiten auch Plastiken und Objekte präsentiert. Gemäß oder trotz ihrer unterschiedlichen regionalen Wurzeln gibt es, was deren künstlerischer Kosmos angeht, ebensolche Gegensätze wie Verbindungen zu entdecken. Auf dem Parcours durch die Bildwelten der Künstler scheinen als Konstante variantenreiche Reminiszenzen unterschiedlichster Art auf –Verwandtschaften und Affinitäten, Anklänge auf etwas Vergangenes, subjektive Erinnerungsstücke oder -versuche als Reflektionen über unsere Lieblingswerke und ihre berühmt- berüchtigten Erzeuger in der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst. Kunst ist in dieser Ausstellung also vor allem anderen Referenz auf und Appell an die großen Meister der Klassischen Moderne. Es ist, als schreiten wir retrospektiv an Arbeiten von Künstlern wie Picasso und Malewitsch oder Duchamp und Magritte vorüber. Respektlos und humorvoll, erotisch und romantisch – die Künstler greifen das Abstrakte und Figürliche, die Politik, die Kunstgeschichte und das Alltägliche auf. Harald-Alexander Klimek Was soll man davon halten? Tag und Nacht als simultane Wirklichkeiten, dazwischen kolportagehaft Flugobjekte und Wolkenkratzer, Blumen und Totenschädel, eine Giftspitze links und ein Pinsel in der Hand eines amputierten Malers. Die detailreiche, extrem suggestive Collage mit dem Titel „Time“, gemalt von Alexander Klimek 2006, zeigt all diese widerspenstigen Versatzstücke als Frontmotive des Time-Magazine – und zwar einer fiktiven Ausgabe vom 20. August 1945. Zwangsläufig gerät man als Betrachter ins Grübeln: Was ist an diesem Tag geschehen? Wo spielt sich das Ganze ab? Ist es real oder fiktiv? Der 20.08.45 war auf jeden Fall ein Sonntag, es war ein paar Monate nach dem Ende des 2. Weltkriegs… Ein Stempel der New Yorker Freiheitsstatue konterkariert den mit einer Armprothese ausgerüsteten Künstler. Reminiszenzen ans Exil, an Künstlerschicksale und die eigene Studienzeit Klimeks in Amerika - Momento Mori und Selbstbefragung als kosmisches Ereignis. Alexander Klimek ist ein Maler und Zeichner wie er nicht im Buche steht. Der gebürtige Frankenthaler lässt sich nicht so leicht in ein Schema pressen. Vielmehr mäandert seine Kunst munter und subversiv durch alle Stile und Genres, um unser durch den Mainstream geformtes Ästhetik-Empfinden ernsthaft und launig auf die Probe zu stellen. Bei allem Humor, aber auch gehörigem Respekt vor den Errungenschaften der Kunstgeschichte zeichnet sich ein an vielfältigen Medien bedienendes Schaffensbild ab, das den Betrachter in den Bann zieht, vor den Kopf stößt und mit seiner radikalen Phantasie, wohlklingenden Schrägheit und einem vielschichtigen Witz für sich einnimmt. In Klimeks Werken steckt eine demonstrative Abkehr von der avantgardistischen Idee künstlerischen Fortschritts. Dafür legt er eine Freiheit, eine geradezu lustvoll- dreiste Unbekümmertheit im Umgang mit Formsprachen und Sujets an den Tag - er kombiniert gegenständliche und abstrakte Malerei oder Elemente der Hochkunst mit Fragmenten der Populärkultur. Er ordnet sich dabei keinem Maßstab unter, auch keinem Stil oder Geschmacksideal. Vielmehr zeigen die Leinwände Klimeks, seine Collagen, kleinformatigen Zeichnungen und Grafiken eine versierte Mischung unterschiedlicher Stile. Augenzwinkernd nimmt es Klimek so mit den großen Meistern auf. Ein entsprechendes Beispiel ist die „Karnevalsprinzessin“. Das barock angelegte Portrait zeigt als Hüftstück eine Dame mit bleich-gelockter Chignon-PerÜcke in grünem Samtkleid, die sich bei näherer Betrachtung als eine mit roter Clown-Nase und knochigen Gesichtszügen ausgestattete Fratze entpuppt. Die gleichwertige Vermengung klassischer Porträtmalerei und Duchamp mit einer Brise Science Fiction beschreibt sehr passend die Vorgehensweise von Alexander Klimek. Daraus entsteht sein eigener Kosmos als ein kaum durchdringliches, symbolträchtiges Deutungslabyrinth. Auch sonst enthalten Klimeks Arbeiten viele Zitate und Bezüge, am häufigsten zur Kunstgeschichte, zu Goya und Delacroix, Magritte und Duchamp, Max Ernst und Dada-Dix oder Robert Rauschenberg. Dabei befragt Klimek seine Ahnen ebenso respektvoll wie nonchalant, indem er Details zitiert, Stile reproduziert, Motive sich einverleibt und im nächsten Moment gegen einander ausspielt, quer durch die Geschichte und durch alle Epochen hindurch bis in die soziale Gegenwart. Zwangsläufig stehen sich in seinem Repertoire so gegensätzliche Figuren wie Sponge Bob, Darth Vader, ein Einhorn oder die nackte Venus gegenüber. In einem seiner Diptychen wird die Figur des gekreuzigten Christus zu einem stürzenden Ikarus, Delacroix´ berühmtes Gemälde „Die Freiheit führt das Volk an“ wird ebenso adaptiert wie „Goyas Geister“ wieder aufleben. Mit anderen Worten: Klimeks künstlerische Arbeit offenbart eine Formel, die Stil und Namen der Künstler gleichsetzt und das Inventar explosionsartig von einem malerischen Bezugssystem zum anderen wechselt. Porträts, Landschaftsbilder, Stillleben, Pin-up-Girls, aktuelle Schlagzeilen und Schlachtenszenen ordnet er zu metaphorischen Bildmontagen. Sei es Graphik, Malerei, Collage, Photographie, Surrealismus, Pop Art, Art Brut, Karikatur, Illustration, Abstraktion. Ergänzt sei noch ein letztes Faktum: Bei Alexander Klimeks kaleidoskopartigem künstlerischen Herangehen dominiert die Linie, die als Projektion von emotionalen und gesellschaftlichen Spannungen, die Aktualität der Malerei in der Tradition als experimentelle Identitätssuche bezeugt. Identitätsbestimmung ist auch der Kunst von Victor Popov immanent. Der viele Jahre in St. Petersburg lebende Künstler gibt klar zu verstehen, dass auch er sich in die Tradition der großen Heroen der Kunstgeschichte einreiht. Doch ist Klimek der Romantiker, ist Popov eher ein fantastischer Realist. Er beherrscht die tradierte Bildikonographie ebenso wie die klassischen Bildtechniken und tritt damit in einen spielerisch-experimentellen Wettlauf mit dem Hier und Jetzt. Popovs Gemälde, Reliefs und Skulpturen haben ihre Wurzeln ebenso in der Tradition des russischen Suprematismus und Konstruktivismus wie sich Einflüsse des Futurismus und Kubismus ausmachen lassen. Das Formenrepertoire von Popovs post-suprematistischer Malerei zeigt abstrakte Flächenformationen in unerschöpflicher Kompositionsvielfalt neben gestisch freieren, neo-expressionistischen Kompositionen. So entstehen ungeahnte Kreuzungen, die von einem Napoleon-Bildnis in picassoresker Manier Über einen geometrischen Kopf á la Rodtschenko bis zu einer völlig abstrakten Komposition eines Hans Arp reichen können. Rein geometrische Arbeiten wie „Goldblume“ erinnern wiederum an Malewitschs suprematistisches Werk mit seinen berÜhmten Ikonen: dem schwarzen und roten Quadrat, dem Kreis und dem Kreuz - Grundelemente und Farben, die auch in Popovs Arbeiten immer wie-derkehren. Malewitsch proklamierte 1915 in seiner revolutionären suprematistischen Theorie der „reinen Gegenstandslosigkeit“ die „Suprematie der reinen Empfindung in der bildenden Kunst“. Und um das Innerliche, Seelische, Spontane geht es auch Victor Popov. Man kann sagen, dass sich Victor Popovs Werk der ideologischen Doktrin des sozialistischen Realismus seit den 1970er Jahren stets verweigert hat. Sein Werk verweist stattdessen auf eine die eigenen Traditionen berücksichtigende Art der Beschäftigung mit nichtakademischer, „primitiver“ Volks- oder Stammeskunst, mit der französischen Moderne, mit den archaischen, religiösen oder profanen Motiven der russischen Volkskunst und der traditionellen lkonenmalerei. Konsequent entwickelte er – in Auseinandersetzung mit der klassischen Moderne - seinen eigenen, scherzhaft experimentierenden Stil. Die Erneuerung des eigenen wie des globalen kulturellen Erbes bildet dabei einen programmatischen Kern. In seinem Frühwerk steht dahingegen noch der Mensch im Zentrum seines Schaffens: „Meine Helden sind keineswegs einfache Persönlichkeiten, sondern Führer und Weise, die davon träumen, Völker zu führen und die Wahrheit zu verkünden. Weil aber solche Bestrebungen immer etwas zweifelhaft sind, sind meine Figuren komisch. Natürlich möchte auch ich auch irgendeine Wahrheit finden; doch dem Material, der Arbeit und dem Instinkt des Künstlers vertraue ich mehr als irgend welchen hohen Ausgeburten des Geistes“, so Popov über sein frühes Schaffen bis er in den 1990er Jahren dann mit neuen Materialien, Techniken und Stilelementen zu laborieren beginnt, zu seiner abstrahierten Formensprache findet. Eine aktuelle Werkgruppe bilden beispielsweise aus Holz gefertigte zwei- und dreidimensionale Objekte. Diese Holzarbeiten lassen nicht nur Popovs eigentliches Handwerk spüren. Denn viele Jahre hat er in der UDSSR Turn- und Spielgeräte als Auftragsarbeiten für Kinderspielplätze gefertigt. Ihnen haftet darüber hinaus auch ein äußerst malerischer Charakter an, der sie zu dreidimensionalen Ebenbildern zu seinen abstrakten Gemälden werden lässt. Denn er amalgamiert Malerei und Plastik zu Reliefmontagen, zu freistehenden Skulpturen und Objektcollagen aus Fundstücken, die er anschließend meist einfarbig bemalt. Seine objets trouvées sind Sammlungen von Fundstücken, die ihren eigenen Referenzen und dem Zufall unterworfen sind. Sie beziehen sich entweder auf einen konkreten, alltäglichen Gegenstand, wie ein Buch, oder sind mit abstrakten Begriffen betitelt und verkörpern emotionale Befindlichkeiten, die auch formalästhetisch zum Ausdruck kommen. So können sie Dynamik und Bewegung suggerieren, sind zugleich aber auch spielerisch-experimentell angelegt - ähnlich wie Popovs minimalistischeren, aus Holz gefertigten geometrischen Objekte, die monochrom gefasst sind und die Wirkung von Farbe und Form, Raum und Fläche austesten. Programmatisch sticht im ersten Ausstellungsraum das Relief „Kreuz (Denkmal)“ von 2012 heraus. Scheinbar kann bei Victor Popov alles zur Skulptur werden. Selbst sein künstlerisches Instrumentarium. Denn fÜr diese Arbeit hat er mehrere Pinsel gekreuzigt. Malerei und Skulptur sind hier symbo-lisch, regelrecht sakral miteinander kombiniert. Mit dieser Arbeit lotet Popov nicht nur die Grenzen der Kunstgattungen und -Genres aus, sondern schafft nebenbei ein ironisches Selbstporträt, das of-fenbart, dass die Dinge auf den ersten Blick nicht das sind, was sie scheinen. In ihrer Summe wirken die hier präsentierten Arbeiten von Victor Popov und Harald-Alexander Klimek wie ein Kabarett: scharfsinnig, geistreich und spontan. Durch die Kombination ihrer beider Werke wird eine neue ästhetische Klammer gebildet, die die Ausstellungsräume temporär zum Musee imaginaire werden lässt, das das Abspeichern und Erinnern von tradierten Bildern und kollektiven Emotionen aus der eigenen Geschichte heraus reflektiert und in die Gegenwart transferiert.
Aktuelles
Alle Bilder unterliegen dem Urheberrecht von Harald-Alexander Klimek. All pictures © by Harald-Alexander Klimek. Site © 2012 by Mario Geldon - All rights reserved
Ausstellung “ DAS KLEINE format “ im Kunsthaus Oggersheim Eröffnung: 23.11.2012 um 19.00 Uhr
„Das Krokodil“, 2013 Federzeichnung, Mischtechnik und Computercollage auf Karton H 42 x B 29,7 cm Graphik für „DIE RHEINPFALZ“, Zeitung, Nr. 178, Ausg. vom Samstag, den 21. August 2013, zu einem Text von Gabriele Weingartner „Weder Dornen noch Getier“, Sommererzählreihe “Der Sommer der Erkenntniss“. Artwork: Harald-Alexander Klimek MfA & Udo Weber, Frankenthal/Pfalz, 2013 VG Bild-Kunst, 2013
„Headphones on Mars“, 2013 3-Farb Serigraphie auf Rives BFK 380 g/m2 1 x 2 Siebdruck, Martin Samuel, Berlin/Kreuzberg; 45 x B 35 cm Graphik für „DIE RHEINPFALZ“, Zeitung, Nr. 187, Ausg. vom Mittwoch, den 14. August 2013, zu einem Text von Michael Buselmeier, „Auf der Kinderweide“, Sommererzählreihe “Der Sommer der Erkenntniss“. Artwork: Harald-Alexander Klimek MfA & Udo Weber, Frankenthal/Pfalz, 2013 VG Bild-Kunst, 2013
„Die Sehnsucht der Tiere im Norden“, 2013, Privatbesitz Federzeichnung und Mischtechnik auf Karton aufgezogen auf Karton 3-teilig, je H 28,8 x B 18,6 cm Graphik für „DIE RHEINPFALZ“, Zeitung, Nr. 193, Ausg. vom Mittwoch, den 21. August 2013, zu einem Text von Michael Bauer „Die Sehnsucht der Tiere im Norden“, Sommererzählreihe “Der Sommer der Erkentniss “. Artwork: Harald-Alexander Klimek MfA & Udo Weber, Frankenthal/Pfalz, 2013 VG Bild-Kunst, 2013
“ Der Froschprinz “, 2012, Privatbesitz Öl auf Leinwand aufgezogen auf Karton 25x25 cm
“ Ebbe “, 2012, Privatbesitz Öl auf Leinwand 40x40 cm
“ Wenn der Hai tanzt “, 2013 Öl auf Holz 40,2x60 cm
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